René Bürgin
gibt regelmässig Tipps und Ratschläge rund ums Hören & Verstehen.
Er ist Musiker, Autor, Jugendarbeiter und immer für eine Überraschung gut. Die Rede ist vom Emmentaler Dänu Wisler, der gerne auch mal etwas Verrücktes auf sympathische Art und Weise in die Tat umsetzt.
+++Oberhelfenschwil Dänu Wisler hat in der Ostschweiz seine zweite Heimat gefunden. Aufgewachsen ist er auf einem Bauernhof im «Ämmital». «Auf unserm Hof wurde noch mit Pferden gearbeitet und wir standen mit einem Bein stets im Gotthelf-Zeitalter», erzählt er. Schon in jungen Jahren musste Wisler so manchen Schicksalsschlag erleben. Sein Vater hatte einen Unfall und sein rechter Arm blieb gelähmt. «Das war, als ich die erste Klasse besuchte. Fortan mussten ich und meine zwei Brüder noch mehr auf dem Hof mitanpacken», sagt er.
Im Folgejahr sei der Hof abgebrannt und wenig später sei sein Grossvater gestorben, so der Ämmitaler. Dies war der erste Todesfall, den Wisler hautnah miterlebte. «Damals starben die Leute noch zu Hause und mein Grossvater war während drei Tagen im «Stübli» aufgebahrt. Der Leichenzug wurde von Pferden begleitet und der Weg zum Friedhof war etwa vier Kilometer», erinnert er sich. Für Wisler sollte dies aber nicht das letzte intensive Erlebnis in Jugendzeiten sein, denn als er in der vierten Klasse war, verstarb sein Bruder an Leukämie. «Diese Erlebnisse haben mich geprägt. Mir ist die Endlichkeit des Lebens immer präsent gewesen. Ich erkannte bald, dass man «s’Läbe nid söt verlauere», sagt er. Schon als Kind habe er gedacht: «Schon wieder eine Sekunde weg, schon wieder eine Sekunde weg. Die kommt nicht mehr und dieses Gefühl hatte ich öfters in meinem Leben», sagt Wisler.
Nach der Schule hat Wisler eine Ausbildung zum Mechaniker gemacht. Er habe aber bald gemerkt, dass ihm die Holzverarbeitung mehr Spass gemacht hätte, als mit Metall zu arbeiten. Trotzdem habe er durchgehalten und seine vierjährige Ausbildung beendet. «Ich habe gedacht, Wisler, wenn Du das durchstehst, schaffst Du alles im Leben». Dänu Wisler begleitete einen Gospelchor, kam so der Theologie näher, absolvierte ein paar Kurse und später ein ganzes Studium. «Ich wollte Jugendarbeiter werden. Ich könnte wohl Pfarrer sein, aber ich bin wahrscheinlich nicht der Pfarrertyp», sagt er und lacht. Heute wohnt Wisler im Pfarrhaus in Oberhelfenschwil und ist Jugendarbeiter. Mit Freude erzählt er von der jugendlichen Gruppierung «Wildfüchse» die er betreut. Es sei wohl etwas zwischen Pfadi und Dschungelcamp. Wisler lebt teilweise von der Jugendarbeit und von der Musik. Seit der Jahrtausendwende leitete er eine eigene Musikschule und gab jährlich etwa 50 Konzerte. Dann kam Corona und er konnte nicht mehr auftreten. Zum Glück habe er den Job bei der Kirche gehabt. Er spiele in der Kirche und betreue seine Neckertaler Wildfüchsekids. Nebst diesen Arbeiten ist Wisler auch Buchautor. Gerade während der Pandemiezeit fand er dafür Zeit. So stammt beispielsweise das Buch «Zigeunerherz» aus seiner Feder. Darin schreibt Wisler über seinen Jugend- und Musikfreund Gölä. Im Gespräch verrät Dänu Wisler, dass er bereits ein zweites Buch über den Berner Sänger, der mit Hits wie «Schwan» oder «Uf u dervo» erfolgreich ist, in Arbeit habe.
Dänu Wislers Leidenschaft gilt der Musik und dem Schreiben von eigenen Liedern. Angefangen hatte sein musikalisches Schaffen allerdings mit der Trompete. Davon zeugen auch zwei Alphörner, die er in seiner Wohnung präsentiert. Zum Glück habe ich Trompete spielen gelernt, denn das Alphorn hat mich seit je her fasziniert und inspiriert. Wisler ist einer der gerne Grenzen auslotet. So hat er sein Alphorn eigenhändig auf den Eiger und das Matterhorn getragen, um dort in schwindelerregender Höhe ein Ständchen zu spielen, und die Plattentaufe von einem früheren Album fand auf dem 4110 Meter hohen Gipfel vom Mönch statt. Der Musiker Wisler spielt in der Regel an seinen Auftritten aber Gitarre und singt. Wie beim Alphorn sucht er auch mit der Gitarre Grenzen und hat ein musikalisches Experiment gewagt.
Dänu Wisler spielt oft mit einem Engländer zusammen, George Richie, der aber in Basel lebt. Richie, der Saxofon und Klarinette spielt, schenkte ihm vor einigen Jahren eine Toggenburger Halszither. George sagte: «Es wird Zeit, dass das Instrument wieder in heimkommt.» Wisler recherchierte, was es mit dem altertümlichen Instrument auf sich hat. Das zehnsaitige Instrument klingt ähnlich wie eine Mandoline und dürfte aus dem 19. Jahrhundert stammen. «Ich fand heraus, dass es auch eine Emmentaler Halszither gibt. Wir nennen sie aber Hanottere», erzählt Wisler. Ebenso stiess er bei seiner Recherchearbeit darauf, dass einer seiner Vorfahren, Ulrych Wisler, einst Halszithern herstellte. Ueli Ammann, ein Musikfreund aus Ebnat-Kappel, stellte Wisler eine spielbare Halszither zur Verfügung. So konnte der Berner Musiker das Instrument kennen und spielen lernen. Fasziniert vom Klang des alten Instrumentes, komponierte er ein paar Lieder und holte die Appenzeller Geigerin Maya Stieger und die Musikerin Christine Lauterburg mit ins Boot. Daraus entstanden ist die CD «Hanottere», die das altertümliche Instrument modernen Ohren zugänglich machen soll. Auf Wislers Webseite ist zu lesen: «Die Halszither, auch Hanottere genannt, war hierzulande der Star unter den Musikinstrumenten. Wäre Jimi Hendrix im 19. Jahrhundert im Toggenburg oder im Emmental geboren, dann hätte er Hanottere gespielt. Und hätte es in jener Zeit einen Hendrix gegeben, dann wäre die Hanottere wohl nicht so schnell in Vergessenheit geraten.» Mit der CD möchte Wisler dem kulturellen Erbe Rechnung tragen. Und eines ist sicher, seine musikalisch-poetischen Grenzgänge werden weitergehen.
Von Andreas Lehmann
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